Itzehoer Shmavon Hovhannisyan ist Deutscher Meister und träumt von der Nationalmannschaft
Das ist kaum zu glauben, aber doch wahr: Shmavon Hovhannisyan ist Deutscher Meister im Boxen – und obwohl er begeisterter Boxer ist, ist ihm Rocky Balboa unbekannt. „Ich habe ihm erstmal von den Rocky-Filmen erzählt“, berichtet Magdalena Diodati, Leiterin des Sophie-Scholl-Gymnasiums (SSG): „Die kannte er noch nicht.“ Aber das ändert natürlich nichts am Grundsätzlichen. „Wir sind besonders stolz auf dich“, sagt sie.
Der 13-Jährige besucht die achte Klasse am SSG. Shmavon stammt ursprünglich aus Armenien. „Fast jedes Kind macht da Kampfsport“, erzählt der Schüler. So sei es natürlich gewesen, dass er beim Boxen gelandet ist. Erst kämpfte er in Itzehoe, später in Heide und jetzt für den berühmten Universum Boxstall in Hamburg. Drei bis vier Mal in der Woche fährt er zum Training. Nach der Schule geht es nach Hause, die Schulaufgaben erledigen. Dann steigt er um 15.30 Uhr in den Zug und kommt gegen 20 Uhr zurück. die Zugfahrt nutzt er, um zu lesen oder Vokabeln zu lernen.
In etlichen Kämpfen hat der junge Boxer Erfahrungen gesammelt. „Wenn man gut ist, stellt der Verband einen auf“, erklärt er. Der Itzehoer wurde aufgestellt und erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen. Mit einem Meister-Titel und -Pokal kehrte er aus dem brandenburgischen Lindow zurück. Ein bisschen Glück war schon dabei, denn in seiner Klasse traten nur vier Boxer an – zwei Kämpfe gewonnen, und schon war Shmavon Deutscher Meister.
Ein Deutscher Meister am SSG? Früher soll es da mal Trampolinturner gegeben haben, aber in den vergangenen 15 Jahre auf keinen Fall. So lange ist Heiko Struve schon Sportlehrer an dem Gymnasium und er könne sich nicht an einen Fall erinnern. Im Unterricht sind die Fähigkeiten des Box-Meisters auch nur sehr bedingt einsetzbar. „Die Sportart ist schon speziell“, sagt Struwe: „Wir dürfen nicht boxen.“ Sportarten, bei denen es darauf ankomme, den Gegner zu verletzen, seien verboten. Aber er zeigt sich zuversichtlich. „Das ist ja ein tolles, komplexes Training. Elemente daraus werde ich sicher in den Sportunterricht nehmen“, so Struve.
Magdalena Diodati kennt Shmavon seit er in der fünften Klasse an das Gymnasium kam. „Ich beobachte dich aus der Ferne“, verrät die Schulleiterin. Was sie sieht, nötigt ihr Respekt ab. Sport und Schule nicht nur irgendwie unter einen Hut zu bringen, sondern in beiden Bereichen erfolgreich zu sein – „das ist schon eine Leistung“, betont sie. „Darum habe ich ihn auch sofort für die Deutschen Meisterschaften vom Unterricht befreit.“ Diodati stellt aber klar: „Den versäumten Stoff muss er nacharbeiten.“
Schul- und Vereinssport miteinander vernetzen
Den Erfolg des Schülers sieht man am SSG als Bestätigung des bisherigen Wegs, Schul- und Vereinssport zu vernetzen. Das sei ein Einstieg in Talentförderung. Neben Kultur und Musik soll Sport ein besonderes Standbein des Kreis-Gymnasiums werden. „Das wollen wir pushen und in ein spezielles Förderprogramm kommen“, verrät die Schulleiterin.
Und wie sieht Shmavon Hovhannisyan seinen Weg? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Weiter fleißig trainieren und nächstes Jahr bei den U17 Meisterschaften antreten.“ Nein, eine Profi-Karriere strebe er nicht unbedingt an. „Ich möchte mal in der Nationalmannschaft kämpfen“, verrät er seinen Traum.
Andeas Olbertz, Norddeutsche Rundschau, 27.06.2022