Job Shadowing in Jelenia Góra, Polen

Vom 03. März bis zum 07. März 2025 hatte ich im Rahmen des Erasmus Job-Shadowing Programms die Gelegenheit ein Liceum in Jelenia Góra zu besuchen und dort nicht nur im Unterricht zu hospitieren, sondern auch Konversationsstunden in den Fächern Deutsch und Englisch zu erteilen.

Das nach Stefan Żeromski benannte Allgemeinbildende 1. Liceum befindet sich in einem historischen Schulgebäude, welches im Jahr 1913 erbaut wurde und unter Denkmalschutz steht. Daher dürfen auch keine baulichen Veränderungen, sondern nur Instandsetzungsarbeiten vorgenommen werden, welche derzeit im Chemie Hörsaal stattfinden. Insgesamt erinnert das Ambiente an die Feuerzangenbowle.

Schwerpunkte des Hospitationsprogramms

  1. Unterrichtsmethoden, Digitalisierung und Nutzung von IT Tools
  2. Sicherheitserziehung und Prävention
  3. Unterrichtskonzepte und Bildungssystem in Polen sowie interkulturelles Verständnis


Das zum Abitur führende polnische Schulsystem gliedert sich in die achtjährige Grundschule und das anschließende vierjährige Allgemeinbildende Liceum, welches der Oberstufe oder SII entspricht. Somit wird regulär nach 12 Schuljahren in Polen das Abitur in einer zentralen Abschlussprüfung erworben.
Der Fächerkanon in Polen umfasst im Wesentlichen dieselben Fächer, wie an deutschen Schulen, auch Profile mit Schwerpunkten in je drei Fächern werden am Liceum gelehrt. Schwerpunktfächer umfassen meist fünf, ggf. eine sechste Stunde, die anderen Fächer je nach Fachbereich ein bis drei Stunden. In Polen wird zusätzlich jedoch das Fach „edukacja dla bezpieczenstwa“ unterrichtet. Dies bedeutet wörtlich „Erziehung zur Sicherheit“ und lässt sich sinngemäß mit Zivilschutz durch die Bevölkerung bezeichnen. Hier unterrichtet Herr Dzik das Fach. Er gibt den einstündigen Unterricht in den vier ersten Parallelklassen, also vergleichbar mit Klasse neun, jeweils dienstags von der ersten bis zur vierten Stunde.
Konkret bereitet „edukacja dla bezpieczeństwa“ die Schüler theoretisch und praktisch auf ein angemessenes Verhalten und die richtigen Reaktionen bei unterschiedlichen Krisensituationen vor. Lehrinhalte über staatliche Sicherheit, Organisation von Rettungsmaßnahmen, Erste-Hilfe sowie Verteidigungserziehung inklusive aktives Schießtraining werden vermittelt.

Themenbereiche im Fach „Sicherheitserziehung“

  • Staatliche Sicherheit
  • Vorbereitung auf Rettungsmaßnahmen in außergewöhnlichen Gefährdungssituationen (Massenunfälle und Katastrophen)
  • Grundlagen der Ersten Hilfe
  • Verteidigungserziehung


Bedauerlicher Weise konnte ich in dieser Woche nicht im Unterricht von Herrn Dzik hospitieren, da er auf einer Fortbildung war. Stattdessen bekam ich jedoch die Gelegenheit, Lena Pisarek, Schülerin der 1D, am Freitag zu interviewen. Sie hat nicht nur an Wettbewerben im Rahmen des Faches „edukacja dla bezpieczeństwa“ teilgenommen, sondern bereits drei Male Erste-Hilfe geleistet. Lena berichtete mir von den Wettbewerben, die in der Region jährlich stattfinden und durch die Universität in Wrocław in unterschiedlichen Altersklassen ab der Grundschule – dort wird auch Erste-Hilfe unterrichtet – organisiert werden. Somit besteht der entscheidende Unterschied zum System in Deutschland darin, dass hier nicht nur ehrenamtliche Organisationen die Inhalte vermitteln, sondern durch das Bildungsministerium das Fach im Schulsystem fest implementiert ist. Dies halte ich für eine nachhaltige Strategie, denn so werden alle Schüler geschult, so dass die gesamte Bevölkerung gut informiert ist.
Interessant ist auch, dass der Bereich der Ersten-Hilfe auf dem B2-Niveau des Englischunterrichts erneut aufgegriffen wird. Fachlich sind somit die Schüler nicht nur in Polen, sondern auch international mithilfe der Lingua Franca Englisch in der Lage akkurat zu reagieren. Am Mittwoch, den 05. März hatte ich die Gelegenheit, zwei Stunden Konversation in den Klassenstufen zwei und drei bei Frau Pietrzak zu diesem Thema zu geben. Im Verlauf dieser Stunden zeigten die Schüler insgesamt profunde inhaltliche und fremdsprachliche Kenntnisse.
Für die erste Fremdsprache Englisch und die zweite Fremdsprache Deutsch wird mittels einer Eingangsprüfung festgestellt, auf welchem sprachlichen Niveau die Schüler unterrichtet werden. Somit werden in allen Jahrgängen unterschiedliche Niveaus angeboten, so dass es zum Beispiel von der zweiten bis vierten Klasse ein B2- Niveau gibt. Insgesamt werden die Leistungsniveaus A1 bis C1 im Fach Englisch sowie A1 bis B1 im Fach Deutsch unterrichtet. Diese Aufteilung nach Leistungsfähigkeit gefiel mir sehr gut, da die Lerngruppen dadurch insgesamt homogener werden. Im Fach Deutsch konnte ich etliche Konversationsstunden erteilen.
Das im I Liceum verwendete Lehrwerk Insight liegt sowohl in analoger als auch in digitaler Version vor. Die Englischräume sind mit Activeboards oder Bildschirmen ausgestattet. Bei Frau Mucowska konnte ich den Einsatz des digitalen Lehrwerks erleben. Sie zeigte in großem Format Bilder und Texte, blendete schrittweise die Ergebnisse von Lückenaufgaben ein und spielte „listening comprehension“ Aufgaben ab. Um die genauen Arbeitszeiten einzuhalten, welche das Lehrwerk jeweils für die Aufgaben vorgibt, verwendete sie eine Google-Stoppuhr, welche die Arbeitszeit mit einem Klingelton beendete. Beeindruckend war für mich, wie ihr der souveräne Umgang mit digitalen Medien den Unterricht erleichterte und eine bequeme und umfassende Sicherungsphase ermöglichte.
Die Organisation der Verwaltung erfolgt digital. Zu Beginn jeder Stunde werden durch Aufrufen der Schülernamen und Bejahung bei Anwesenheit die teilnehmenden und fehlenden Schüler im Programm digital erfasst. Durch dieses in sämtlichen Klassen angewendete System, ist die Anwesenheitskontrolle lückenlos. Falls sich ein Schüler im Unterricht etwas zuschulden kommen lässt, wie zum Beispiel wiederholtes Stören und Nutzen des Handys während des Unterrichts, erfolgt direkt während des Unterrichts die schriftliche Meldung an die Eltern. Somit erfolgt die Lehrer-Eltern-Kommunikation ohne Zeitverlust. Sowohl für die Dokumentation des Unterrichts, der Anwesenheiten als auch der Kommunikation wird dasselbe Programm verwendet.