Job Shadowing in Paralimni, Zypern

Vom 03.03. bis 07.03.2025 durfte ich als Gast das Lyzeum Paralimni besuchen. Das Hospitationsprogramm für den Aufenthalt hatte ich gemeinsam mit Andrie Kontozi, der Erasmus+ Koordinatorin der Schule im Vorfeld vereinbart. Es orientierte sich an den Zielen des Erasmus+ Plans des Sophie-Scholl-Gymnasiums.

Der einwöchige Aufenthalt an der aufnehmenden Schule war ein sehr große Bereicherung für mich. Viele Beobachtungen, die ich an der zypriotischen Schule machen konnten, besitzen das Potential, einen kleinen Beitrag zu den Entwicklungsprozesse am Sophie-Scholl-Gymnasium zu leisten.
Gleichzeitig wurde im Erfahrungsaustausch mit den Lehrkräften vor Ort und während der Hospitationen im Unterricht auch deutlich, dass sich einige Beispiele guter Praxis aufgrund der Unterschiede im Bildungssystem nicht leicht auf unsere Schule übertragen lassen.

So stellt das Bildungsministerium den zypriotischen Lehrkräften etwa zwar sehr umfangreiches Unterrichtsmaterial und sogar Stundenentwürfe online zur Verfügung. Damit verbunden ist allerdings die Erwartung, dass sie den Kern jedes Unterrichtsgeschehens darstellen. Die willkommene, hilfreiche Unterstützung schränkt somit andererseits die Entscheidungsfreiheit der Lehrkräfte ein.
Gleichzeitig fokussiert der Unterricht in allen drei Jahren des Lyceums, welche in etwa unseren Jahrgänge 10 bis12 entsprechen, in vielen Fächern allein auf die Abschlussprüfungen. Sie ermöglichen den Zugang zur Universität.

In den Prüfungen wird der korrekten Rekapitulation von erlerntem Wissen der Vorrang eingeräumt. Die Fähigkeit, problemorientiert und methodengeleitet zu eigenen Bewertungen und Urteilen zu gelangen, wird hier weniger überprüft. Sobald also eine Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler auffordern würde, sich kreativ-produktiv mit den Unterrichtsinhalten auseinanderzusetzen, dürfte sie sich mit kritischen Nachfragen seitens der SchülerInnen und Elternschaft konfrontiert sehen, inwiefern dieses Vorhaben von Relevanz für die anstehende Prüfung sei.
Diese wenigen Beispiele veranschaulichen, wie spannend und lehrreich der viel zu kurze internationale Austausch mit den Lehrkräften vor Ort war. Auf den folgenden Seiten habe ich versucht, wesentlichen Beobachtungen zu den Kernpunkten der Hospitation stichpunktartig aufzulisten.

Unterrichtsmethoden und Erziehungsstile
  • Regelmäßiger Einsatz von Beamer und Computern im Klassenraum
  • Handyhotels in jedem Klassenzimmer für die Dauer der Unterrichtsstunde
  • Alle Schüler verlassen die Klassen in den Pausen.
  • scheinbar „laxer“ Umgang mit Verspätungen (sogar bei zehnminütiger Verspätungen) allerdings Formulare für das Verlassen des Schulgeländes während des Schultages
  • klare Strukturierung von Unterrichtsstunden und durchgehende Visualisierung von Unterrichtsergebnissen am Whiteboard
  • Grundsätze der Vergleichbarkeit und Transparenz (verbindliche Lehrpläne mit vorgegebenem Unterrichtsmaterial und Lernzielen, einheitliche (zentrale) Klassenarbeiten (als Vergleichsarbeiten), regelmäßige, verbindliche Kooperation innerhalb der Fachschaft (Lehrkräfte gehören nur einer Fachschaft an)
  • Verbindliche Anzahl von Beratungsstunden für Elterngespräche (2WSt) und Fachschaftsarbeit (1WSt)
  • Herausforderung: alle SchülerInnen steigen unabhängig von Leistungen auf, z.T. geringe Lern- und Leistungsbereitschaft
  • externe Förderung bei Lernhandycaps, Nachteilsausgleich z.T. durch Extra-Stunden oder Förderunterricht innerhalb der Schule
  • Schulberaterin als qualifizierte Lehrkraft mit breitem Aufgabenfeld (Sozialarbeit, Berufsberatung, Verbindungslehrkraft)
  • Wechsel von Tagen mit 40- und 45minütigen Stunden, um verpflichtenden Französischunterricht zu integrieren
Chancen und Neuerungen in Reaktion auf Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
  • Sprachunterricht in Neugriechisch (GaZ) in kleinen, multikulturellen Klassen mit großer Heterogenität (16 WSt, Alphabetisierung bis A2)
  • Zypern als Transitland für Migranten(-kinder) > Einfluss auf Bereitschaft, Griechisch zu lernen
  • Inklusion als beständige Herausforderung
  • Integration von digitalen Tools, Medienkompetenz (Unterricht zur Bedienung von Word, Excel, Powerpoint, Audacity, Openoffice) und Arbeit mit Microsoft Teams
  • Qualifikation von Lehrkräften (Erasmus+ Initiative mit Teilnahme von 15 Lehrkräften an Kursen, Attraktivität von beruflicher Weiterbildung: Reduktion von Deputaten – bis zu 8 Stunden bei Übernahme von Leitungsfunktionen, Stellenzuweisung auf der Grundlage eines Rankings)
  • bedeutsame Reduktion von Deputaten mit steigender Dienstzeit (8, 15, 22 Jahre)
  • Schule als Netzwerkschule und Multiplikator hinsichtlich des Einsatzes von digitalen Tools und Erasmus+ Aktivitäten
Demokratieerziehung
  • Im Geschichtsunterricht (Demokratie als Bezugsnorm von historischen Narrativen, z.B. die Fremdherrschaft durch Venedig oder Großbritannien als Verstoß gegen Demokratie)
  • Erinnerungskultur (Gleichsetzung vom Kampf gegen die britische (Kolonial-)Herrschaft als Kampf für nationale Unabhängigkeit und Demokratie, Märtyrer- bzw. Heldenverehrung)
  • EUP – Jugend debattiert (freiwillige Teilnahme an Debattier-Wettbewerb auf Englisch mit Blick auf das Europäische Jugendparlament)
  • zahlreiche Erasmus+ Projekte mit eTwinning-Anteilen, z.B. „Stand up“ zur Förderung der Fähigkeit von demokratischer Teilhabe mit verschiedenen Schwerpunkten (Reden, Agieren, Wissen, Mut etc.)
Digitale Kompetenz
  • Informatikunterricht als Ort, um Selbständigkeit und Autonomie in der Bedienung digitaler Medien zu fördern (vgl. Methodenunterricht, Methodenmappe)
  • Beispiele digitaler Tools: Erprobung im gemeinsamen Unterricht (Co-Teaching: Mentimeter, AI-Image generator, Padlet), Vorstellung des eTwinning-Tools
  • Lehrer-Schüler-Kommunikations durch Vibr, Microsoft Teams
  • Einsatz eines Jeopardy-Tools (Genially) zur Wiederholung von Lerninhalten (Gruppen, Wiederholung, intrinsische Motivation)